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Endlich Verdi

Es ist soweit. 5 Jahre gibt es das Theatrum Papyrus inzwischen. Von der ersten Stunde unseres Bestehens hatte ich neben vielen anderen vor allem immer einen Komponisten im Sinn, wenn es um die Stückeauswahl ging: Giuseppe Verdi.

Es war klar und so sicher wie das Amen in der Kirche – Verdi kommt auf die Bühne unseres Theaters. Daran gab es keinen Zweifel. Schnell jedoch habe ich erkannt, dass das eine rein private Betrachtung und Wunschvorstellung war. Meine eigene Leidenschaft und Begeisterung für dieses Genie.

 

Verdi war meine ganz persönliche, erste Begegnung mit der Oper. Glücklicherweise führte mich meine Mutter bereits in sehr frühen Jahren an diese Kunstgattung heran. Und: Sie begann es nicht etwa zaghaft, mit kleinen Singspielen oder kindlicheren Werken. Nein, sie legte gleich richtig los. Mit Verdi. Die ganze geballte Tragik und Schwere. Bumm.

Und sie hat es richtig gemacht. Sie ist halt meine Mutter. Sie kannte mich offensichtlich so gut, dass sie erkannte, dass ich genau das mochte - die ganz großen Geschichten voller Schicksale und Tragödien. Ausgedrückt mit und in der wunderbarsten Musik, die man dafür wohl schreiben kann. Und da machte es keinen Unterschied, ob ich erst 9 oder 10 Jahre alt war. Der Zugang zur Oper war über diese „erwachsenen Stoffe“ ungleich einfacher für mich, als es Kinderopern je geschafft hätten.

Da ist halt jeder, wie er ist. Zum Glück. Und damit möchte ich hier überhaupt gar nichts gegen Kinder- oder Märchenopern sagen – ganz im Gegenteil. Ich liebe sie. Interessanterweise immer mehr.

 

Aber zurück zu Verdi.

Und nun auch zum Theater, denn darum geht es hier ja. Mit diesem kleinen Ausflug in meine Kindheit wollte ich nur meinen persönlichen Bezug zum Komponisten und den daraus resultierenden Wunsch, ihn in meinem Theater zu spielen, etwas näher erklären.

Ihn in meinem Papiertheater spielen. Ja, da war es, das Problem. Ganz schnell erkannte ich, dass die professionelle Betrachtungsweise eines Stückes vor dem Hintergrund einer Repertoire-Auswahl etwas ganz anderes ist, als die persönliche Leidenschaft. Natürlich muss und sollte diese immer eine große Rolle spielen, wenn es um die Auswahl eines Werkes geht, denn es wird nur das richtig gut, was man liebt, aber: Als Theaterbetreiber wählt man ein Stück nicht mehr nur, um es für sich selbst zu hören oder anzusehen. Nein, man hat etwas damit vor. Nämlich – es für andere sichtbar zu machen.  Also ist man ganz schnell bei zig verschiedenen Fakten und Aspekten, die berücksichtigt werden müssen, um eine Machbarkeit zu prüfen. Und nicht nur eine Machbarkeit, sondern vor allem eine Umsetzung, die den eigenen Ansprüchen und Vorstellungen gerecht wird. Zum Glück sind unsere recht hoch. Verdi macht es einem da allerdings nicht besonders leicht. Denn Verdi macht einfach keine kleine Oper, sondern immer ganz großes Kino. Das ist wunderbar, aber eben für ein Figurentheater nicht so einfach umsetzbar. Insbesondere, wenn das Spielen selbst nur eine Person praktiziert.  Generell sind wir gut dafür aufgestellt und können unsere hohen ästhetischen Ansprüche damit gut bedienen. Auch, weil wir immer stärker moderne Technik, wie z.B. unsere animierten Hintergründe einsetzen. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten. Aber natürlich stößt man trotzdem an seine Grenzen, wenn eine Oper eine bestimmte Anzahl von Charakteren übersteigt, unverhältnismäßig viele Szenenwechsel oder aber monumentale Chorszenen benötigt werden. Und bei unserem guten alten Verdi ist all das in nahezu jeder Oper vertreten.

 

Deshalb haben wir dem Vorhaben inzwischen mit sehr viel Skepsis und Zweifel entgegengesehen. In manchen Momenten waren wir fast soweit, Verdi für unsere Bühne aufzugeben. Unspielbar. Geht nicht. Punkt aus. Schluss.

Aber dann dringen sie einem wieder ins Ohr – die süßen Versuchungen, die Verdis Genie entspringen, die berauschenden, großen Melodien, die unsterblich sind. Und dann schöpft man neuen Mut und der Ehrgeiz erwacht erneut. Ich gebe nicht auf. Verdi wird auf unsere Bühne kommen. Koste es, was es wolle. Und erneut hört man sich durch die Traviata, den Troubadour oder die Macht des Schicksals. Erneut inspiziert man den Rigoletto und den Othello. Und erneut schwindet der Mut. Das funktioniert nie. Den bekomme ich nicht in einer Qualität auf die Bühne, die mich befriedigt. Oder noch viel wichtiger, die nichts Wesentliches von der Geschichte einbüßt. Zum verzweifeln.

 

Aber dann kam der Tag. Es war eigentlich mehr ein Zufall. Ich schaute mir eine Inszenierung von Simon Boccanegra aus der Metropolitan Opera in New York an. Das war ein Schlüsselerlebnis – und zwar aus mehreren Gründen. Zum Einen, weil das wohl die einzige Verdi-Oper ist, die ich bis dato warum auch immer noch nie gehört hatte und zum anderen, weil ich sofort erkannte, dass sie für uns umsetzbar ist. Eine relativ überschaubare Anzahl an Charakteren, eine handelbare Szenenmenge und deutlich weniger und nicht so tragende Chorszenen im Vergleich zu anderen Verdi-Opern.

Und vor allem: traumhaft schöne Musik. Nach meinem Empfinden Verdi pur in seiner ganzen Schönheit. Sofort war ich Feuer und Flamme. Die Entscheidung stand.

 

Es wird der Simon Boccanegra. Die Verdi-Premiere im Theatrum Papyrus. Die Arbeit begann sofort. Ähnlich wie bei Lohengrin, unserer ersten Wagner Oper, läuft bisher alles fast wie von selbst. Und das ist immer ein gutes Zeichen. Zumindest bei uns. Beim Lohengrin führte das auch zu einer sehr erfolgreichen, gelungenen Inszenierung.

So fiel mir auch bei Simon Boccanegra der Musikschnitt so leicht wie nie. Alles ist schlüssig, alles macht Sinn. Es ist ganz einfach, zu kürzen und trotzdem keine wichtigen Handlungsstränge zu verlieren. Alles war an einem Tag erledigt. Auch für die Bühnenbilder hatte ich sofort 100% klare Vorstellungen im Kopf. Deshalb ist die Auswahl auch schon fast vollständig. Das heißt, wir haben innerhalb kürzester Zeit bereits große Schritte gemacht. Natürlich liegt noch ein langer Weg vor uns, wie das bei jeder Inszenierung ist. Die Umsetzung, die Herstellung, das Proben und auch die Bewältigung unvorhergesehener Widrigkeiten braucht einfach seine Zeit. Aber das ist auch gut so, denn diese Arbeit macht uns Spaß und ist unsere Leidenschaft.

 

Die Aufregung und Freude ist so groß, wie schon lange nicht mehr. Verdi hält Einzug ins Theatrum Papyrus!

Wir hoffen, Sie freuen sich genauso auf unseren Simon Boccanegra wie wir selbst.

 

In diesem Sinne – bleiben Sie uns gewogen. Wir halten Sie auf dem Laufenden.